Die Kamera fährt durch den Backstage-Flur der Arena – hier, an einem Knotenpunkt, wo Gänge zu Büros, Umkleiden und dem Equipment-Lager führen, herrscht geschäftiges Treiben. Einige GFCW-Mitarbeiter laufen eilig mit Klemmbrettern und Kisten umher, man hört Funksprüche, das Klacken von Rollcontainern – typische Geräusche hinter der Bühne einer großen Show.

Tammy, elegant gekleidet und mit konzentriertem Blick, steht bereit. Sie hält ein Mikrofon in der Hand und justiert gerade das Kabel an ihrer Hüfte, offenbar bereit für ein spontanes Interview. Die Kamera beginnt leicht zu zoomen, als aus einem der Seitengänge der Wuppertaler Aya ins Bild tritt.

Sein Auftreten ist ruhig, aber eindrucksvoll. Noch immer trägt er jenen schwarzen Hartholz-Baseballschläger bei sich – das Symbol seiner Intervention in die Märchenstunde von Fuchs, El Metztli, Tsuki Nosagi und dem „Weihnachtsmann“. Aya bleibt stehen, fixiert Tammy mit einem ernsten Blick, was sie kurz zögern lässt. Gerade, als sie das Mikro an die Lippen führen will, wird der Moment unterbrochen.

Drakescheinbar gedankenversunken und auf dem Weg zu einem anderen Bereich – kommt aus dem gegenüberliegenden Gang und will die Szene eigentlich ignorieren. Doch als er auf Aya trifft, bleiben beide Männer abrupt stehen. Ihre Blicke treffen sich. Hart. Unerbittlich. Ein Moment geladener Stille liegt in der Luft, wie ein aufziehendes Gewitter.

Tammy erschrocken, aber noch ruhig, betrachtet die beiden Männer.


Tammy : Uhm… Jungs? Alles in Ordnung…?“


Dann – ein plötzlicher Schrei von Tammy, schrill und überraschend.

Die Bilder werden weiter übertragen aber anstatt Tammy zu lauschen hört man nun die Stimmen von Pete und Sven.


Pete : Was zum Teufel?! Das ist ein Hinterhalt! Die Hasen! El Metztli und Tsuki Nosagi stürzen sich auf Aya – und da ist der Weihnachtsmann! Der attackiert Drake aus dem Nichts!“

Sven: Heilige Mutter Maria! Hier eskaliert’s komplett! Das ist kein Brawl – das ist ein Backstage-Massaker!“


Die Kamera schwankt, als der Kameramann hektisch reagiert. Der Schläger fällt klirrend auf den Boden, als Aya von den Hasen gegen eine Wand gedrückt wird. Drake taumelt rückwärts, nachdem der Weihnachtsmann ihm einen Rammbock verpasst. Zwei Kämpfe – eine Szene. Beide Duos prügeln sich in unterschiedliche Richtungen. Drake und der Weihnachtsmann stürzen sich in einen schmalen Nebengang, verschwinden dort in einem Treppenhaus, wobei sie sich gegenseitig gegen das Geländer und die Betonwände prügeln. Ihre Schritte hallen nach, als sie nach unten taumeln – Stufe für Stufe – während die Kamera bei Aya und den Hasen bleibt.


Pete: Wir verlieren Drake und diesen verrückten Weihnachtsmann – sie prügeln sich im Treppenhaus nach unten! Aber wir bleiben bei Aya, der gerade eine wahre Tortur über sich ergehen lässt!“

Sven: Metztli knallt ihn gerade mit voller Wucht gegen die Technik-Kiste! Und Tsuki springt mit einem Knie voran hinterher – das ist Wahnsinn!“


Aya hält sich tapfer. Blut rinnt aus einem kleinen Schnitt an seiner Stirn, doch seine Bewegungen bleiben präzise. Er blockt einen rechten Haken von Tsuki, wirft ihn gegen eine Absperrung, duckt sich unter einem Tritt von Metztli hindurch – und rammt sie mit der Schulter gegen einen Lagerwagen. Metztli kracht in eine gestapelte Reihe von Lichttechnik-Boxen, die scheppernd zu Boden gehen.


Pete: Aya kommt zurück! Mein Gott, dieser Kerl ist zäh wie Leder!

Sven: Aber die Hasen sind flink – die fighten wie zwei Schatten in einer Vollmondnacht!“


Ein kurzer Rückblick auf Drake und den Weihnachtsmann ist nicht nötig – aus dem Treppenhaus hört man nur noch dumpfe Aufpralle und entferntes Grunzen. Die Kamera bleibt bei Aya, der inzwischen zwischen Kabeln und herumliegenden Cases steht. Er wirft Tsuki über eine Transportkiste, als sein Blick auf etwas fällt.

Den Baseballschläger.

Nur wenige Meter entfernt. Seine Finger zucken.

Er taucht unter einem Stuhl, den Metztli nach ihm wirft, hindurch, taucht ab – und greift sich mit einem festen Griff den Schläger. Das Holz liegt wieder sicher in seinen Händen.


Pete: Er hat ihn wieder! Aya hat den verdammten Schläger wieder!“

Sven: Ich würd’ jetzt rennen, wenn ich Häschenohren hätte…“


Metztli stutzt – Tsuki stockt in seiner Bewegung. Zu spät. Aya holt aus – nicht um sofort zuzuschlagen, sondern um die bloße Drohung in seinen Augen sichtbar werden zu lassen. Beide Hasen wissen, was jetzt kommt, wenn sie bleiben.


Pete: Sie fliehen! Die Hasen nehmen die Beine in die Hand! Rückzug durch den Seitengang – und ich kann’s ihnen nicht mal verübeln!“

Sven: Aya steht da wie ein verdammter Richter! Der hat heute kein Urteil gesprochen, aber eine Warnung gesendet.“


Aya steht allein inmitten der zerbeulten Technik, Schweiß tropft von seiner Stirn, das Holz des Schlägers ruht fest in seiner Faust. Die Kamera zoomt leicht heran, zeigt den ernsten Blick des Wuppertalers, während aus dem Treppenhaus keine Geräusche mehr kommen. Was mit Drake und dem Weihnachtsmann geschieht, bleibt unklar.

Die Kamera hält noch einige Sekunden auf Aya.



Feierabend.

Wieder einmal kann Darragh Switzenberg zufrieden nach Hause gehen. Er hat ein Statement gesetzt, niemand hat ihm ernste Probleme gemacht und die Zahl auf seinem Konto ist durch die Gage weiterhin aufsteigend. Perfekte Voraussetzungen, um der ungeliebten GFCW wieder für zwei Wochen den Rücken zu kehren und sich eine entspannte Zeit auf der Wolke Sieben des Erfolgs zu machen.


Gerade biegt er um die letzte Kurve Richtung Parkplatz. Zac Alonso und Jakob Fleestedt sind nicht bei ihm. Ihre Aufgabe ist heute, wenn auch mit Mängeln, bereits beendet wurden. Nein, Switzenberg ist allein.

Nur noch wenige Schritte trennen ihn von der Tür nach draußen, da nimmt er einen Umriss aus dem Augenwinkel wahr.


Der Umriss ist genau dort, wo er hinwill.


Als er sich umdreht, steht dort Jason Crutch. Mit schwarzem Basecap, mit schwarzer Jacke mit hochgeschlagenem Kragen, ein Bein an die Wand gelehnt, mit verschränkten Armen und gesenktem Kopf.


Jason Crutch: „Wohin des Wegs?“


Switzenberg tut Jason nicht den Gefallen, auf die Frage direkt zu antworten. Der Intercontinental-Champion stellt seine Sporttasche auf dem Boden ab und seufzt betont langgezogen. Als würde ihn der Anblick des Konkurrenten, den man fast schon einen ewigen Rivalen nennen muss, langweilen.


Darragh Switzenberg: „Jason. Ich hatte gedacht, nach einem halben Jahr ist deinem Nostalgie-Mobil endlich der Sprit ausgegangen.“


Er tritt nicht näher als nötig an Jason heran, hält bewusst gute zwei Meter Abstand. Nah genug, um das Gespräch zu führen, aber nicht so nah, um Crutch die Chance zu geben, etwas Unüberlegtes zu tun.


Darragh Switzenberg: „Was willst du noch? Findet der alte Mann nicht mehr den Ausgang zurück in sein Leben auf dem Abstellgleis?


Jason Crutch regt sich nicht. Er verharrt in seiner Position und macht keinerlei Anstalten, irgendwo anders hinzugehen. Die Tatsache bleibt: Jason Crutch versperrt ihm den Weg in die „Freiheit“. Mit knurriger Stimme, in der nichts liegt, keine Wut, kein Hass, keine Freude, keine Überlegenheit…es ist einfach nur eine kühle, berechnende Stimme oder irgendwelche Emotion und begleitet von keinerlei Regung:


Jason Crutch: „Du weißt, was ich will. Ich will ein weiteres Match um den Intercontinental-Championtitel.“


Switzenberg verzieht das Gesicht.


Darragh Switzenberg: „Du weißt, ich mag Filme, Jason. Und ‚Täglich grüßt das Murmeltier‘ ist wirklich gut. Die Sache mit der Zeitschleife. Aber ich brauche nicht Jahrzehnte später die Fortsetzung namens ‚Täglich nervt Jason Crutch‘. Du hattest zwei Chancen, du hast zweimal den Titel nicht gewonnen.“


Keine Reaktion von Crutch. Wenn Darragh gehofft hatte, dass der vierfache Champion jetzt zur Seite tritt, hat er sich getäuscht.


Darragh Switzenberg: „Geh‘ aus dem Weg. Und das meine ich sowohl wörtlich als auch metaphorisch. Deine Zeit ist vorbei. Deine Chancen sind es auch.“


Und immer noch steht dort an der Tür, den Weg nach draußen versperrend, der Oberpollinger. Das Bein bleibt weiterhin an der Mauer gelehnt, die Arme verschränkt, der Kopf gesenkt, das Gesicht dadurch im Schatten der Basecap verborgen. Was sich ebenso wenig ändert ist die Tonlage in Crutchs Stimme, als er folgendes sagt:


Jason Crutch: „Ich weiß, dass ich diese Chance offiziell nicht mehr habe. Du hast mich besiegt, Darragh. Und der Matchausgang ist Bullshit. Es ist eine verdammte Schande. Es ist Mist. Es ist Scheiße. Es PISST mich an, verdammt nochmal! Aber ich habe sofort nach dem Match mit Dynamite geredet, er hat es mir bestätigt. Es täte ihm leid. Einmal mehr.“


Dann entfleucht ihm der zischende Laut eines Schmunzelns, und die beiden Sätze, die er nun sagt, wirken so, als würde er sie lediglich zu sich selbst sagen:


Jason Crutch: „Zum Teufel, wie leid ich es selbst bin, das von ihm zu hören. Und wie ich einfach nur die Schnauze voll habe, ständig betteln zu müssen.“


Und dann erfolgt endlich die erste Regung des ehemaligen mehrfachen World Champions. Er verlässt seine Position und bewegt sich die vier, fünf Schritte auf den amtierenden Intercontinental-Champion zu. Und er bleibt vor ihm stehen. Die Klamotten – die schwarze Jacke, das schwarze Basecap, die schwarze Jeans – all das ist ein Outfit, das Crutch in elf Jahren seiner Karriere nie getragen hat. Dieses Tiefschwarz, das er hier trägt, scheint fast seine Gefühlswelt zu repräsentieren. Und es scheint zu unterstreichen, in welcher absoluten Ausnahmesituation Jason Crutch sich – evtl. sogar erstmals in seiner Karriere, wer weiß? – befindet. Sein Kopf bleibt weiterhin gesenkt. Und so steht er nun also vor Switzenberg. Leise und in aller Ruhe (und deswegen wirkt es so bedrohlich) spricht er:


Jason Crutch: „Ich weiß also, dass es nur noch einen einzigen Weg gibt, dieses Titelmatch zu bekommen.“


Und nun hebt er den Kopf und blickt seinem Gegenüber in die Augen.


Jason Crutch: „Indem du es mir freiwillig gibst.“

Darragh Switzenberg: „Das werde ich nicht tun. Somit ist dieses Gespräch beendet.“


So schnell Darragh die Antwort im ersten Augenblick rausgerutscht ist, so verwirrt ist er im zweiten. Meint Jason Crutch das wirklich ernst? Dem Blick nach ist es so.

Und je länger Darragh darüber nachdenkt, desto ärgerlicher wird er. Bis seine Gesichtszüge einfrieren.


Was für eine maßlose Dreistigkeit. Was für eine Frechheit. Was maßt sich Jason Crutch hier eigentlich an? Wie kann Jason ihn mit solch einem absurden Szenario vom wohlverdienten Feierabend abhalten?


Darragh Switzenberg: „Ich hoffe wirklich, dass du es als Witz meinst, Jason. Vielleicht als erster Schritt für deine neue Karriere als Comedian. Jetzt, wo es als Wrestler für dich vorbei ist.“


Er verzieht amüsiert das Gesicht.


Darragh Switzenberg: „Es ist doch ein Witz, oder?“


Die Antwort darauf gibt Switzenberg Jason, indem er lauthals zu lachen beginnt. Es ist mir als auffällig, dass das Lachen vorgespielt wird und keine echte Emotion ist. Doch das macht es nur noch verhöhnender für Crutch. Dort der lachende Champion und ihm gegenüber der ehemalige mehrfache World Champion, fast schon in sich gesunken, gekleidet in schwarz wirkt er fast wie ein Schatten seiner selbst, der sich hier vor seinem Rivalen erniedrigen muss und um die Chance BITTEN muss…


Jason Crutch: „Jetzt hör auf mit dem Mist!“


ruft Jason Crutch laut aus. So laut, dass der IC-Champion regelrecht zusammenzuckt, weil ihm ordentlich in die Parade gefahren wurde. Für einige Augenblicke ist es mucksmäuschenstill. Man könnte die berüchtigte Stecknadel fallen hören. Die Atmosphäre ist, wie unmittelbar vor einem Gewitter, zum Zerreißen gespannt. Und es mutet beinahe wie eine Muhammad Ali/George Foreman-Situation, wie sie sich hier gegenüberstehen. Dann setzt Jason Crutch ruhig, aber bestimmt fort.


Jason Crutch: „Lass mal den ganzen Scheiß, ok? Ich habe jetzt die Schnauze endgültig gestrichen voll von dir und deinem Rotz.“


Und wieder ist es ruhig. Switzenberg atmet schwer. Wahrscheinlich eher vor Wut. Crutch blickt seinen Gegenüber intensiv an.


Jason Crutch: „Sieh mir in die Augen, Darragh.“


Der Intercontinental-Champion steht mit gesenktem Kopf dort. Er hasst es, Befehle entgegenzunehmen. ER ist derjenige, der befiehlt. Niemals andersherum. Und wieder ist es ruhig. Die Forderung von Crutch steht nach wie vor im Raum. Aber Switzenberg blickt demonstrativ zu Boden.


Jason Crutch: „Schau mir in die Augen, verdammt nochmal!!“


Switzenberg schnauft verächtlich.

Doch dann tut er, wie ihm geheißen. Aber nicht, um Crutchs Befehl zu gehorchen, sondern um sich keine Blöße zu geben. Dafür ist er dann doch zu stolz. Und für weitere Augenblicke, die wie Minuten wirken, so intensiv sind sie, stieren sich beide Männer an. Sie wirken ruhig, doch an der Bewegung ihrer Schultern und ihrer Nüstern erkennt man, dass sie vor Adrenalin strotzen. Und dann setzt der Oberpollinger fort, ruhig, aber bestimmt und eindringlich. Seine Stimme klingt – immer noch - bedrohlich…


Jason Crutch: „Seit Jahresbeginn bekriegen wir uns. Und permanent gibt es diese Situationen, in denen du dich hinter deinen Stooges versteckst. Bei Brainwashed. Bei War Evening. Und nun bei Aurora.“

Darragh Switzenberg: „…“

Jason Crutch: „Halt den Mund!! Halt einfach deinen verdammten Mund und hör zu!! Lass mich ausreden, verdammt nochmal!!“


Am liebsten würde der IC-Champion ihm in die Fresse schlagen. So sieht es zumindest aus. Doch er verkneift es sich. Mag es Ehrfurcht sein. Mag es…RESPEKT sein…? Nein. Wahrscheinlich eher nicht. Er will sich nur nicht die Blöße geben, einer Provokation von Jason Crutch auf den Leim zu gehen. Er schweigt. Und hört tatsächlich weiter zu.


Jason Crutch: „Ich bin es leid, hörst du. Und ich weiß: du bist es auch leid! Ich gehe dir auf den Sack. Ich weiß, dass du mich abgrundtief hasst. Du hasst mich mit jeder Pore deines Leibes, richtig? Dann tu etwas dagegen. Tu endlich etwas dagegen…du kleiner Pisser!“


WOAH!! Hat er das eben wirklich gesagt? JASON CRUTCH?!


Jason Crutch: „Ich will jetzt, dass du mir zuhörst. Ein letztes Mal. Und hör mir ganz genau zu, denn ich will, dass du das endlich und ein für alle Mal kapierst. Darragh. Ich schwöre dir, bei dem Leben meiner Kinder…“


WHAT???


Jason Crutch: „DU. WIRST. MICH. NICHT. LOS! Okay? Ich gebe nicht auf. Ich gebe nicht auf, bis du mich im Ring geschlagen hast. Fair! 1. 2. 3. Ohne Ausreden. Ohne Einwände. Ohne Eingriffe. Du willst mich loswerden? Du willst, dass ich aus deinem Leben verschwinde, huh? Dann besiege mich. Besiege mich!!!! 1. 2. 3. Besiege mich wie ein Mann, verdammt nochmal! Und ich weiß, Darragh, ohoho…ich WEISS, dass du tief, tief, tief in dir drin, tief in deinem INNERSTEN…dass du davon ÜBERZEUGT bist, dass du das auch KANNST. Du WEISST tief in dir drinnen, dass du mich schlagen KANNST. Aber die Gier nach dem hier…“


und er nickt in Richtung Intercontinental-Champion-Gürtel, der auf Darraghs Schultern ruht…


Jason Crutch: „…ist so unermesslich groß, dass du das vergessen hast. Um das zu behalten, tust du alles.“


Darragh scheint nun genug gehört zu haben. Und ja, er weicht nun Crutchs Blick aus, unterbricht das unsichtbare Band, zuckt und will wohl tatsächlich beidrehen. Doch er kann nicht. Denn JC neigt den Kopf – und sucht wieder Darraghs Blick. Der IC-Champion versucht, in die andere Richtung abzudrehen, aber JC neigt seinen Kopf nun in die andere Richtung und sucht auch hier Darraghs Blick. Letztlich hält Darragh inne, geht zurück in die ursprüngliche Position – und wieder treffen sich die Blicke. Das Blickduell ist wieder hergestellt. Bei Crutch zuckt ein Mundwinkel nach oben. Aber nur flüchtig. Und seine Tonlage geht noch eine Lautstärkestufe nach unten – und wirkt dadurch noch ein Stück bedrohlicher und eindringlicher.


Jason Crutch: „Wo willst du hin. Huh? Hab ich einen wunden Punkt getroffen? Habe ich recht? Ja, du WEISST, dass ich recht habe. Du WILLST es dir beweisen, nicht wahr? Du WILLST wissen, ob du mich fair schlagen kannst. Du willst es mehr, als alles andere auf der Welt. Aber du hast zu viel Angst, zu versagen, und das hier zu verlieren.“


Wieder das Nicken in Richtung Championgürtel. Und tatsächlich: wieder lässt Darragh den Blick abschweifen, verliert das Blickduell erneut. Crutch entfleucht ein lautes „Huh“, das Erstaunen ausdrücken soll. Beinahe erstaunt blinzelt er. Und wie, wenn es ihm gerade wie Schuppen von den Augen gefallen wäre, erhöht sich die Lautstärke seiner Stimme und reißt im Grunde alle, die Crutchs Monolog und die gesamte Szenerie verfolgt haben, aus ihrer Gespanntheit.


Jason Crutch: „Du…du hast tatsächlich Angst?! Das ist es wirklich! Ich hatte mehr dahinter vermutet, aber es ist simpel wie noch was: Du hast ganz einfach ANGST! Es steckt gar nicht mehr dahinter! Du hast so eine verdammte Angst davor, den Intercontinental-Championtitel und alles, was damit verbunden ist, zu verlieren, dass du mir nicht in einem fairen Match gegenüberstehen willst. Diese Angst ist größer als deine innerliche Frage, ob du mich fair schlagen kannst und das Verlangen, mich loszuwerden! Du…“


Fast schon resigniert weicht Jason Crutch einen Schritt zurück. Er betrachtet, schwach, fast schon abwertend lächelnd, den Mann, den er schon beinahe ein halbes Jahr lang verfolgt, und der ihm solches Kopfzerbrechen bereitet hat, von oben bis unten. Und von einem Moment auf den anderen – so wirkt es! – scheint Jason Crutch jeglichen Respekt vor seinem Gegenüber verloren zu haben. Und mit süffisantem Ton stellt er dann für sich einfach nur fest:


Jason Crutch: „…du bist einfach nur ein verdammter Feigling!“


Switzenberg steht da. Er tritt von einem Fuß auf den anderen. Ein Stück weit sieht es aus, als wolle er Crutch an den Kragen gehen. Doch statt um Jasons Kehle graben sich seine Hände in die Hosentaschen. Als Demonstration…oder um sich zu beruhigen?


Darragh Switzenberg: „Halt den Mund, Jason.“


Jetzt macht Switzenberg doch die Schritte auf Crutch zu, die er zu Beginn ihrer Begegnung noch bewusst zwischen ihnen gelassen hatte. Etwas hat sich verändert.


Darragh Switzenberg: „So viele Worte von dir. Ich bin mir sicher, die hast du dir lange zurechtgelegt. Wäre nur besser bekommen, wenn du auch Recht damit hättest.“


Er sucht den Blick von Crutch. Jetzt, nachdem er das so lange vermieden hatte. Die Rollen haben sich vertauscht.


Darragh Switzenberg: „Ich bin kein Feigling…“


Aber glaubt er das selbst? Etwas hat sich in Switzenbergs Haltung verändert. Seine betonte Lässigkeit hat Risse bekommen.


Darragh Switzenberg: „Ich habe es nur nicht nötig, dich ohne Hilfe zu besiegen.“


Und doch: In der Stimmlage liegt etwas, das deutlich macht, als wolle er ein weiteres „Aber“ einfügen. Nur kostet ihn das Überwindung.


Darragh Switzenberg: „Doch mit einer anderen Sache hast du recht, alter Mann. Ja, ich hasse dich. Und wie ich dich hasse. Weißt du, was ich besonders an dir hasse?“


Er legt den Kopf schräg und taxiert den Schwarzgekleideten von oben bis unten.


Darragh Switzenberg: „Dass wir miteinander verbunden sind. Meine Regentschaft als Intercontinental-Champion sollte diese Liga verändern. Sie soll mein Triumph sein, der bisherige Höhepunkt meiner Legende, die ich gerade schreibe. Aber seit Januar, seit einem verdammten halben Jahr, habe ich nur mit dir zu tun. Wer später über diese Phase des Switziverse nachdenkt, wird nicht nur an meine Triumphe denken. Nicht nur daran, dass ich mit Jakob und Zac zwei der größten Talente hervorgebracht habe. Nein…die Leute werden an den verdammten, alten Jason Crutch denken. Weil du dich seit Monaten an uns festgesaugt hast wie eine Zecke.“


Kurz rutscht Switzenbergs Hand aus der Hosentasche. Man sieht, dass sie zur Faust geballt ist. Und Crutch ist das nicht entgangen, denn auch er ballt die Faust. Beide Männer sind auf alles gefasst und rechnen mit allem.


Darragh Switzenberg: „Du wirfst einen Schatten über meine Herrschaft, weil du einfach nicht loslassen kannst. Und dafür hasse ich dich, Jason Crutch. Ich will, dass du loslässt. Ich will, dass du verschwindest.“


Jetzt ist sein Blick starr auf Crutch geheftet.


Darragh Switzenberg: „Ich will, dass du zu Ende bist.“


Switzenberg drückt den Satz zwischen zusammengekniffenen Zähnen hervor. Dann merkt er scheinbar, dass er sich für einen Moment verloren hat. Dass er doch Jasons Provokation auf dem Leim gegangen ist. Von einer Sekunde auf die andere verändert sich etwas an seiner Körperhaltung. Er lehnt sich zurück und versucht, Gelassenheit vorzutäuschen.


Darragh Switzenberg: „Was deine Anfrage angeht…du wirst in zwei Wochen etwas dazu hören.“


Dann nutzt der Champion den Moment der Überraschung und drückt sich an Crutch vorbei. Da der vierfache Champion noch mit den Worten Switzenbergs beschäftigt war, schafft er es nicht schnell genug, sich in Darraghs Weg zu stellen. Switzenberg ist schon an ihm vorbei, schon zur Tür unterwegs – und tritt hinaus.


Der Oberpollinger bleibt allein zurück, blickt seinem Widersacher hinterher, bis er verschwunden ist. Aber selbst dann starrt er weiterhin auf die schwere Doppeltür, die sich langsam schließt und dann träge ins Schloss fällt. Ein solch intensives Gespräch musste er in der GFCW lange Zeit nicht mehr führen. Erinnerungen an die glorreichen Aufeinandertreffen mit Zereo Killer, Johnboy Dog oder Don Sheen werden wach. Auch dort lag reichlich Intensität in der Luft. Doch diesmal war es anders. In gewisser Weise musste er sich erniedrigen, musste betteln. Und er fragt sich nach diesem Gespräch: ist es das wert? Und was ihn noch mehr verunsichert: hat er erreicht, was er wollte? Konnte er Darragh Switzenberg überzeugen? Hat er wirklich den wunden Punkt getroffen, den er treffen musste, um das zu bekommen, wonach ihm so sehr verlangt? Wonach ihm IMMER NOCH verlangt?


Nachdenklich – den Blick immer noch auf die ja mittlerweile geschlossene Tür geheftet - schiebt er beide Hände zurück in die Jackentasche. Und dann – absolut nichtsahnend und im Grunde genauso schlauch wie zuvor – zieht er endlich von dannen.


Welches Nachspiel wird dieses Aufeinandertreffen haben?

In zwei Wochen gibt es die Antwort.





Das gewaltige Banner flattert im Wind auf der sterilen, weißen Wand, im Hintergrund des Podiums, an dem Lorenz mit dem zuckersüßesten Lächeln steht.

Wir sind in einem Gebäude, hier dürfte es keinen Wind geben. Vielleicht hat man also einen leisen Ventilator aufgebaut, damit das Banner mit dem triumphalen Schwein und dem gefallenen weißen Tiger darauf so weht wie eine gehisste Flagge nach einem beeindruckenden Triumph, oder aber irgendjemand - vermutlich das Sprachrohr - wackelt Off-Camera an einer Schnur.

Dazu kommt noch, dass dieses Video seltsam... blutleer wirkt. Die Farben scheinen nicht ganz richtig durchzukommen. Ist das hier live? Ist das hier aufgezeichnet? Wo genau sind wir überhaupt, mal abgesehen von "wahrscheinlich in Flensburg" und "in irgendeinem Gebäude"?


Lorenz: "Meine Damen und Herren, alle Anderen innerhalb und außerhalb des Gender-Spektrums... herzlich willkommen zur Investoren-Tagung."


Eindeutiger Fake-Applaus wird eingespielt, so euphorisch und begeistert, dass er überhaupt nicht echt sein kann. Davon einmal abgesehen sehen wir immer noch bloß Lorenz an seinem Podium vor seinem Banner - gäbe es eine echte Crowd, oder sogar eine echte BEGEISTERTE Crowd, würde man diese doch sicherlich zeigen?


Lorenz: "Genauer genommen: Zur Investoren-Tagung der Abteilung "Werbung und Marketing im Bereich "Sonstiges" der Sport-Division."


So läuft die GFCW also bei der LPG - unter "Sonstiges". Warum bekommt das eine eigene Investoren-Tagung? Alles an diesem Segment wirkt faul und fake. Alles. Vor allem Lorenz, bei dem diese Fakeness auf eine ganz seltsame Art und Weise vollkommen natürlich wirkt.


Lorenz: "Zu dem Allerwichtigsten und dem, wofür sie eigentlich hier sind - den Zahlen - kommen wir selbstverständlich noch."


Wieder eingespielter Beifall. Man kann das glückliche Schluchzen von jemandem hören, der vor Freude in Tränen ausbricht. Wir sehen natürlich nichts davon.


Lorenz: "Aber lasst uns die Zeit nehmen, auf ein paar angenehme und positive Nebenschauplätze zu schauen. In den Ring, zum Beispiel."


Der Ring als Nebenschauplatz - die Lerbitz Performance Group, wie sie leibt und lebt.


Lorenz: "Dort konnten wir zuletzt einige neue Assets akquirieren."


Die Rede dürfte von Marc Hill sein.


Lorenz: "Unsere Partnerschaft mit externen Partnern - oder Partnerinnen, in diesem Fall - zahlt sich weiterhin aus. Die großartige und fantastische Miria Saionji und die talentierte Quinn El Ranemilan sind die Speerspitze einer wundervollen Initiative, die vom unangefochtenen und beim vergangenen Pay-Per-View einmal mehr erfolgreichen GOAT Robert Breads angeführt wird. Ich bin mir sicher, dass diese beiden... und die anderen... in Zukunft weiterhin-"


Weiter kommt Lorenz nicht, weil seine Ansprache von einem plötzlichen Einwand aus dem Nichts übertönt wird. Es können also nicht nur RKOs aus dem Nichts kommen, sondern auch Stimmen. Dann wiederum kommt die Stimme eigentlich gar nicht aus dem Nichts, sondern lediglich von jenseits des Kameraauschnitts.


Ich bin „The Phoenix“ Milly Vermillion, nicht „andere“.“


Womit uns die Kameras nun demonstrieren, dass Lorenz doch etwas live Publikum hat und zumindest ein bisschen Reaktion echt war – obgleich die zur Stimme gehörende Feuervogeldame in Menschengestalt ihm sicherlich nicht zugejubelt hat. Vielmehr ist ihre Körperhaltung einmal mehr lax und ihre Stimme pompös, ganz im Kontrast zu ihrer kleinen Statur – die wiederum ein gewaltiger Kontrast zur Frau ist, die neben ihr türmt: die Schneewölfin Skaði Fenrir, die ihrerseits nicht sehr angetan von dieser Pressekonferenz aussieht. Was wiederum ein Kontrast zur dritten Frau in der ersten Reihe ist: Miria Saionji. Die schwarzmähnige Opportunistin trägt demonstrativ ein Greatest Pigster Shirt als Kleidersatz und eine verdammt teuer aussehende Perlenkette dazu. Perlen für sie selbst statt für die Säue, die Implikation ist dennoch da – und sie hat sogar Lorenz „echt“ zugejubelt. Auch wenn ihr Jubel quasi noch faker war als der Eingespielte. Anders als Millys auflodernde Wut, die ist sehr echt.


Milly Vermillion: Ich habe einen Namen und du bist gut beraten ihn zu benutzen, dafür ist er nämlich da. Ich dachte deine Expertise wäre Marketing oder wie das heißt und sogar ich weiß, dass der erste Schritt Marken zu kreieren darin besteht, sie beim Namen zu nennen.“


Die Frau im feuerfedrigen Poncho mit den blonden Locken guckt leicht verächtlich zu Miria herüber.


Milly Vermillion: Besonders wenn du solche No Names wie die da beim Namen nennen kannst.“


Die da“ sieht erst so aus, als ob sie etwas erwidern möchte, doch dann entscheidet sich „The Aion“ aus purer Berechnung dagegen. Gerade wüst unterbrochen und belehrt worden zu sein, dürfte Lorenz alles andere als gefallen haben und wenn Milly sich nach Robert Breads höchstselbst nun auch noch bei Lorenz unbeliebt machen möchte, dann sollte sie dies ungehindert tun können. Doch nicht nur Kalkül verhindert eine Wortmeldung von Miria Saionji, sondern auch die wie immer hochtrabende Stimme der großen Schneewölfin, die jetzt laut wird.


Skaði Fenrir: Ich kann meine Überraschung nicht verhehlen, dass du etwas gesagt hast, welchem ich meine vollumfängliche Zustimmung aussprechen kann, doch das berühmte Sprichwort mit dem Huhn und dem Korn hat einmal mehr einen Moment im Rampenlicht.“

Milly Vermillion: Hast du Pelzknäuel mich gerade als Huhn bezeichnet?“


Milly beugt sich zu Skaði herüber und guckt sie schief an, was diese naturgemäß wenig beeindruckt, geschweige denn einschüchtert.


Skaði Fenrir: Mitnichten und ich würde es vorziehen, wenn du es vermeiden würdest auf deinen großen Moment der Sinnhaftigkeit zeitnah einen peinlichen Moment des Nonsens folgen zu lassen. Wichtiger ist doch aufzuzeigen, dass weder du noch ich einfach nur als „die anderen“ tituliert werden sollten, wird dies doch weder dir noch mir gerecht.“


Millys Augen verengen sich zu Schlitzen, die Phönixfrau überlegt intensiv, ob sie sich von Skaði jetzt beleidigt fühlen sollte oder nicht, stellt sich dann aber doch wieder gerade und verschränkt nur nickend die Arme – im Großen und Ganzen war man in der relevanten Sache, von Lorenz hier respektlos behandelt worden zu sein, einer Meinung und das genügt für den Moment. Wer sich derweil fragt, wo eigentlich die Frau ist, welche Milly und Skaði, nicht aber Miria, zur LPG vermittelt hat: Monica Shade steht etwas abseits im Hintergrund und muss all ihre Sinne zusammennehmen, dass ihr Stoffschwein Lady Rosi ihr nicht aus dem Arm kippt. Eigentlich freut Monica der Erfolg des Greatest Pigsters ja, aber ihn nun so ausgeschlachtet zu sehen hat sie erblassen lassen. Als ob sie in der heimischen Promotion und insbesondere bei deren Hauptsponsor nach dem Verlauf und illegitimen Ausgangs des Aurora Matches bei Aurora nicht eh schon im Doghouse sitzen würde.


Lorenz: "Meine Damen, es gibt wirklich keinen Grund hier in einen Streit auszubrechen."


Er wirft Miria kurz einen Blick zu, bei dem er mit den Augen rollt und damit deutlich zeigt, dass er von ihren "Kolleginnen" genervt ist. Er zupft an den Ärmeln seines Hemdes, welches das unverwechselbare Dior Oblique Motiv präsentiert. Das legere Design aus weißem und blauem Seidentwill überzeugt durch ein steigendes Revers und einen hinten längeren Saum.


Lorenz: "Wir wollen zelebrieren. Wir wollen in die Zukunft blicken, in die glorreiche Zukunft der Lerbitz Performance Group und deshalb sollten wir in erster Linie eines bleiben: produktiv."


Natürlich. Das ist das Wichtigste.


Lorenz: "Nehmt euch ein Beispiel an Miss Shade, die sich im Rahmen des letzten Pay-Per-View und des triumphalen Erfolgs des Greatest Pigster ganz klar auf Seiten der LPG positiniert hat, über jede Ligen-Zugehörigkeit hinweg. Endlich einmal vorbildhaftes Verhalten und ein wichtiges Zeichen pro Loyalität zum Brand und zum-"


herauszukommen. Doch ist es Miria Saionji, die an dieser Stelle ihre Chance gekommen sieht sich einzubringen.


Miria Saionji: „Korrekt, wir stehen hier doch alle auf derselben Seite und sollten uns folglich auch entsprechend verhalten. So aggressiv wie ihr beiden euch aufführt, da wird doch das Schwein im Stall verrückt. Ich jedenfalls wüsste im Moment nicht, ob man euch Beiden im Ring vertrauen könnte oder ob ihr nur darauf aus wärt euch selbst zu profilieren. Schade eigentlich, dass man Teamfähigkeit nicht einfach so testen kann...“


Miria zwinkert Lorenz vielsagend zu.


Lorenz: “Eine brillante Idee.”


Strahlend schaut Lorenz zu ihr zurück. Die einzige Person, von der er noch begeistert ist als Miria, ist die Entrepreneurin Lerbitz höchst selbst.


Lorenz: “Schade, dass unser Vorzeige-Wrestler Aiden Rotari heute unerwartet nicht erschienen ist, sonst hätten wir gleich ein Match gegen Sleaze ansetzen können. Oder doch besser gegeneinander? Was würde sich wohl besser vermarkten lassen? Das sollten wir bis zur nächsten Show geklärt bekommen.”


Mit einem freundlichen Zwinkern richtig Saionji erwidert Lorenz die ursprüngliche Geste, ehe er fortfährt.


Lorenz: “Doch bevor wir den betörenden Klängen vielversprechender Zukunftsmusik lauschen, müssen wir noch einmal kurz in die Vergangenheit gehen – zum grandiosen Aurora-Pay-Per-View. Denn dort hat sich Ethan Carlyle zwar als talentiert, aber nicht besonders clever erwiesen. Zum Glück für uns gab eine positive Überraschung.

Der Mann, der bei Brainwashed einen beeindruckenden Erfolg gegen die Lerbitz Performance Group feiern konnte, hat eingesehen, wo seine Chancen für die Zukunft liegen. Rasmus Rantanen wollte den Spot nicht. Ethan Carlyle wollte den Spot nicht. Sie werden den Preis bezahlen, nicht in Form von brutalen Attacken, sondern schleichend einsetzender Irrelevanz. Nicht so dieser Mann, das neueste Asset im Portfolio der Lerbitz Performance Group. Der Hamburger Jung, der Sergej Barbarez der GFCW, der Mann aus der Erstliga-Stadt – die Lerbitz Performance Group ist stolz den Mann mit der POWER auf ihrer Seite zu haben und in ungeahnte Höhen zu führen. Wir sind der Merlin Polzin zu seinem Davie Selke. Ein herzliches “Moin” an den Mann mit Weitsicht, den Mann mit Rückgrat, den Mann mit POWER: Marc Hill!”


Ob es realen Applaus gibt oder nicht ist unmöglich zu sagen, denn der schon zuvor verwendete Fake-Applaus dröhnt nach der Erwähnung des Namens unmittelbar in solcher Lautstärke, dass jedes natürliche Geräusch daneben zugrundegeht. Und so wirkt es, als würde Kaiser Augustus höchstpersönlich für einen Triumph in die Stadt Rom einziehen.

Marc Hill stört sich nicht an den künstlichen Reaktionen, er hat ein Grinsen auf den Lippen, dass man in dieser Breite seit Monaten nicht mehr bei ihm gesehen hat. Als er sich zu Lorenz stellt, hebt er als Dank die Hände in die Luft, posiert als wäre er ein Politiker nach einer gewonnenen Wahl.


Marc Hill: „Nu‘ mal Butter bei die Fische, Leute.“


Der Hamburger spricht mit betontem Dialekt, den er vor zwei Wochen noch nicht halte. Der Tonfall ist so übertrieben, man könnte ihn für eine Parodie auf seine eigene Herkunft halten – doch nein, es müsste eine Marketing-Idee sein.


Marc Hill: „Meine Entscheidung für die LERBITZ PERFORMANCE GROUP…“


Wieder Applaus. Wieder stürmisch. Wieder künstlich.


Marc Hill: „…war die beste Entscheidung meiner bisherigen Karriere. Ich war in einer Situation gefangen, die keinen positiven Ausgang mehr nehmen konnte. Doch wie sagt man in Hamburg? Nicht lang schnacken, Kopp in Nacken. Also habe ich die Initiative ergriffen und einen neuen Weg eingeschlagen. Einen Weg an die Seite von GEWINNERN!“

Das Sprachrohr: „FAKT!“


Aus dem sprichwörtlichen Nichts (aka dem Bildrand) springt das Sprachrohr mit einem Salto vor das LPG-Banner. Er schlägt ein Rad. Neuerlicher Applaus.


Marc Hill: „An der Seite vom Greatest of All Time, dem GOAT Robert Breads, dem Harbinger of Glory, dem HOG Maximilian Lunenkind aka dem verdammt großartigen Pigster und dem Sprachrohr werde ich meine POWER…“


POWER!“ schallt mit einer schnell erkennbaren AI-Stimme aus den Boxen.


Marc Hill: „…so richtig unleashen. Meine Karriere wird im Ring neue Höhen erreichen und neben dem Ring wird mir die LERBITZ PERFORMANCE GROUP dabei helfen, ein echter Wrestling-Star zu werden.“


Zum Glück hat Marc Hill den Namen Mike Müller längst verdrängt. Vielleicht als Nebeneffekt seines Selbstbewusstseins.


Marc Hill: „Mirkan Uysal und der Rest der Förderkaders haben HAMBURG nicht respektiert. Sie haben nicht das Marketing-Potenzial meiner Herkunft erkannt und vor allem nicht meine POWER im Ring. Und dafür werde ich sie bei War Evening im Main Event in den Boden rammen. Das ist ein POWER-…“

Das Sprachrohr: „…FAKT!“


Power-Fakt. Der neue Virus der Marketing-Terms. Während Lorenz heftigen künstlichen Applaus einspielen lässt, wiederholen Marc Hill und das Sprachrohr den Ausdruck im Chor, um viralen Wiedererkennungswert zu schaffen.


Marc Hill: „POWER!“

Das Sprachrohr: „FAKT!“

Marc Hill: „POWER!“

Das Sprachrohr: „FAKT!“

Marc Hill: „POWER!“

Das Sprachrohr: „FAKT!“

Marc Hill & Das Sprachrohr: „POWER-FAKT!“


Während sich das Duo bei ihrem Geschrei verausgabt, da es mit dem loopenden Applaus-Sample konkurrieren muss, kramt Lorenz etwas hervor. Es ist ein T-Shirt. Stolz präsentiert er es den Fans wie eine Trophäe. Dann reicht er es an Marc Hill. Der Hamburger zögert keinen Moment und zieht es sich über den Kopf. Er wirkt aufrichtig beglückt.

Sein erstes eigenes Marketing-Shirt. Schon jetzt hat sich der Wechsel zur LPG gelohnt.



Marc Hill: „Ich bin MARC HILL und stolzer Teil der LPG. Ein Wort an meine Crew…“


Er wendet sich Lorenz und dem Sprachrohr zu und klopft ihnen jovial auf die Schulter.


Marc Hill: „…ihr seid die Besten. Und ein Wort an die Versager des Förderkaders. Springt lieber von Bord. Sonst gibt es Fischbrötchen mit Faustgeschmack! POWER…“

Das Sprachrohr: „…FAKT!“



„MEINE SEHR VEREHRTEN DAMEN UND HERREN UND ALLE DIE ZU STABIL SIND SICH MIT DIESEN KATEGORIEN AUFZUHALTEN!“

Pete: „Uh oh.“


Laut und kräftig dringt die Stimme durch die Lautsprecher ins Innere der Arena. Im ersten Moment dachte man noch, es wäre Zeit für den 6-Men Main Event, auch Mike Kontrak und Laura stehen schon bereit im Ring und wirken nicht weniger irritiert, als Sven, Pete oder tatsächlich der gesamte Rest der Arena.


„ICH PRÄSENTIERE FEIERLICH…“


Während sich der Vorhang schon schemenhaft bewegt, dringt das Rasseln einer Kette ebenfalls in die hörbare Geräuschkulisse ein.


Drake: „Diesen elenden Bastard.“


Mit kaltem Blick, Kapuzenjacke und Cargohose wie so oft tragend, tritt Drake Nova Vaughn auf die Bühne. Das Mikrofon abgesetzt, zerrt er mit beiden Händen etwas – oder besser jemanden – hinter sich her.

Dort im Staub der Bühne, an einer Kette geschleift, die in einem Hundehalsband um seinen Nacken endet, liegt der Mann, der in Santas Outfit bei Aurora noch einen Stuhl über Drakes Kopf zerschlug.


Sven: „DER WEIHNACHTSMANN!“

Pete: „GESCHIEHT IHM RECHT!“

Sven: „ES IST DER WEIHNACHTSMANN!“

Pete: „GERECHTIGKEIT!“


Sichtlich zufrieden mit sich selbst, hebt Vaugh einen Mundwinkel, bevor er mit einem hörbaren Laut die Kette in einer Hand doppelt legt und dem Weihnachtsmann damit einen harten Schlag über den Rücken verpasst.


Drake: „Ich denke, es ist Zeit… Dass wir alle mal die Luft anhalten und uns überlegen, worum es hier eigentlich geht. Denn ich weiß, ich mag vielleicht auf manche nicht so klar oder da oder whateeeeeeeeeeeeeeeeeeeever gewirkt haben ABER ich glaube TROTZ ALLEDEM muss trotzdem ICH trotzdem wieder der trotzdem Vernünftige sein. Also….“


Unter einem von Erschöpfung erstickten Laut des Schmerzes rührt sich der Weihnachtsmann unter dem zweiten Hieb.


Drake: „SCHNAUZE!“


Erneut knallt der Stahl auf den blanken Rücken, über welchem das Rot-Weiße Outfit zerrissen wurde.


Drake: „Wir sollten uns alle mal besinnen… Wegen weihnachten versteht ihr. Wir sollten uns alle mal besinnen, Worum es hier geht. Denn ich sag´s wie es ist. Ich war stolz, diese Titel getragen zu haben. Sie sind weg. Ich war froh, mit Zane gemeinsam kämpfen zu können, ich liebe Zane, er ist verletzt. Ich hatte… Mitleid mit jemandem, der irgendwie in Spielchen der Hasen gezogen wird, unschuldig. Aber es geht nur um… ach ja.“


Er blickt nach unten.


Drake: „Weihnachtsmann my Ass, das näheste am Weihnachtsmann, das wir haben, sind Flaschenpissende misshandelte Amazon-Mitarbeitende. Aber wenn. Und das sage ich in aller Deutlichkeit. WENN jemand meint, Leviathan sei nicht mehr der Name, wenn es um Terror hier geht, WENN jemand meint, dass jetzt schon alte Männer in lustigen Outfits und featuring Stockholm Syndrom mir ans Bein pissen können, dann betet ihr besser zu an was auch immer ihr glaubt. Und mit JEMAND… Meine ich dich. TYLER.“


Ein Würgelaut entrinnt dem Mann am Boden, als Vaughn mit aller Wucht an der Kette reißt.


Drake: „Du… und deine ganze Familie. Ich glaube, ja, ich weiß, dass wir da noch einiges zu bereden haben, hm? Also tun wir das doch. Ich werde warten. In diesem Ring da vorne. In zwei Wochen. Du. Ich. Und lass deine dämliche Maske daheim. Nicht JBDs Bastard. Nicht dein Säuferbruder. Nicht deine Playmate Hasen. Nichtmal DER FUCHS. Nur wir zwei. Drake und Tyler. Ganz… romantisch.“


Seine Hand ballt sich verkrampft um die Kette, als er zwar zu Tyler, aber gleichzeitig mit ausladenden Gesten und aufmerksamen Blick zum gesamten Publikum spricht.


Drake: „Du denkst vielleicht, du hast Schmerzen erfahren oder Leid oder was immer du da meintest. Sünden des Vaters my Ass. Du kennst noch keine Sünde Tyler. Bis heute hast du nur das Paradies gekannt. Also kommt mit mir, du und ALLE die mich hören, esst vom Baum der Erkenntnis, brecht aus, aus eurem Paradies von Lügen, steigt ein in die Realität, die Realität über die Familie des Hundes. Die Realität, dass ihr Ende schon längst besiegelt ist… Und ich nur noch ein Grab voller Parasiten plündern kann.“



Normalerweise, und das hat er in seiner gesamten Karriere IMMER so gehalten, bei jeder Show, bei jedem PPV, bleibt er, bis die Lichter ausgehen. Ein altes, ungeschriebenes Gesetz unter Ehrenmännern besagt, dass man, auch wenn man an einem Abend nicht gebookt wurde, die Show bis zum Schluss zu Ende sieht. Das gilt zumindest für diejenigen GFCW-Wrestler und -Wrestlerinnen, die noch Anstand und Respekt für die Kollegen und Kolleginnen haben – und im Grunde für das gesamte Business. D. h. es würde für Leute wie z. B. Jimmy Maxxx oder Darragh Switzenberg nicht gelten. Doch für ihn gilt es schon. Aber nicht nur, weil es so sein sollte, sondern weil er den Respekt vor den Kollegen tatsächlich spürt. Ja, selbst für Darragh Switzenberg, wie er schon betonte - auch wenn er sich damit immer schwerer tut. Und, nun ja, dieser Respekt im Grunde nur für Switzenbergs Inring-Fähigkeiten gilt, wenn man es genau nimmt.


Aber heute? Heute kann er einfach nicht. Er kann es einfach nicht. Zu nachhaltig war das heutige Gespräch mit Darragh Switzenberg. Die Tatsache, dass er sein Anliegen heute noch nicht klären konnte und nun weitere zwei Wochen warten muss, wurmt und beschäftigt ihn – und nagt an seinem Gemüt. Verunsichert ihn. Und so schultert Jason Crutch tatsächlich seine Sporttasche – die er grundsätzlich immer dabei hat. Man weiß ja nie.


Gekleidet ist der Oberpollinger immer noch, wie wir es an ihm NOCH NIE gesehen haben, in schwarz: schwarze Jeans, schwarze Jacke, schwarze Basecap, die schwarz verspiegelte Sonnenbrille. Heute ist ihm einfach nicht danach, noch mehr Zeit als nötig hier zu verbringen. Und das alleine zeigt schon, wie aufgewühlt JC derzeit ist. Das zeigt auch, wie sehr die Geschichte mit Darragh Switzenberg an ihm nagt. Und vor allem die Niederlage bei Aurora.


Gerade führt er noch einen knappen Smalltalk mit einem vom GFCW-Staff. Man kennt sich. Doch in Jason Crutchs Gesicht zeigt sich keine Regung. Es bleibt bei einem Wortwechsel, bei dem sicherlich nicht mehr als zwei, drei Worte Crutchs Mund verlassen. Und schon setzt er sich auch wieder in Bewegung, immer weiter in Richtung Ausgang. Er wirkt beinahe wie eine Fremdgestalt.


???: „Hey Mann….wo willst du denn schon hin?“


Er hält unvermittelt inne. Der Ruf galt eindeutig ihm. Sein Blick wandert in die Richtung des Rufs. Und er sieht den ominösen Rufer. Crutch verlässt seine Route, die er eigentlich Richtung Ausgang hätte nehmen müssen, und biegt halblinks ab. Nach einigen Schritten, bei denen ihn die Kamera natürlich begleitet hat, bleibt er stehen – und wir sehen, WER ihm da gerufen hat. Und wer ihn veranlasst hat, sein angestrebtes Ziel, den Ausgang, zu ändern. Und als sich die beiden Herrschaften hier gegenüber stehen, geht zunächst ein lautes Raunen durch das Rund der Halle – das diese Bilder natürlich auf der Videoleinwand sehen kann. Denn in all den Monaten seit Jason Crutchs Comeback sind sich diese beiden Männer nicht vor der Kamera begegnet.


Der geheimnisvolle Rufer ist der amtierende GFCW-Heavyweight-Champion Ask Skógur, der Jason Crutch hier gegenübersteht. Und der scheint doch sichtlich gut gelaunt.

Wieso auch nicht? Bei Aurora hat er nicht nur seine lästigen Gegner Luna Rosario und Aldo Nero besiegen können, nein, er hat das auch noch in seinem Heimatland, vor seiner Heimatcrowd, mit dem unfassbarsten Jubel getan, den er jemals bekommen hat.

Also, wenn man danach nicht gut drauf ist, nach was dann?


Und jetzt? Auf zu neuen Ufern. Neue Herausforderungen erwarten den GFCW-Champion und eine davon dürfte wohl die GFCW-Legende Jason Crutch sein.


Naja… so ganz richtig ist das nicht. Aldo Nero hat unmissverständlich erklärt, dass er mit dem Champion noch nicht fertig ist und nach dem Match gegen Luna dürfte er wohl jedes Recht auf ein neues Titelmatch haben. Aber trotzdem… so ein bisschen den Ton angeben darf Ask als großer Champion schon auch mal.


Für einen kurzen Moment steht man sich einfach wortlos gegenüber. Dann streckt Jason Crutch die Hand nach vorne. Nicht zögernd, nicht zu schnell. In genau dem richtigen Tempo, wie es für eine Respektsbekundung vonnöten ist.


Jason Crutch: „Freut mich, dich zu sehen, Ask. Bis auf die Glückwunsch-SMS zu deinem Titelgewinn an Title Night und das kurze Telefonat neulich haben wir uns noch nicht richtig viel gesehen. In jedem Fall, so oder so: Glückwunsch zur Titelverteidigung bei Aurora! Momentan führt einfach kein Weg an dir vorbei! Und ein Champion wie du tut der GFCW-Heavyweight-Championship einfach gut!“


Aha. Ein Kontakt hat natürlich bestanden. Es geschieht viel hinter den Kulissen, was wir nicht mitbekommen. Natürlich sind sich der vielerorts als künftiger Hall of Famer gehandelte Jason Crutch und der amtierende Heavyweight-Champion schon begegnet.


und auch, wenn er es nicht nutzt, aber selbst ein Ask Skógur scheint ein Telefon zu haben, mit dem er ab und an mit anderen Menschen kommuniziert.


Ask schaut auf die Hand von Crutch. Für einen Moment ungläubig, denn viel zu oft ist Ask schon auf tatsächlich nette Menschen in der GFCW hereingefallen, so oft, dass er daran kaum noch glauben mag.


Und doch… irgendwie will Ask einfach nicht zu dem zynischen Griesgram werden, der sich seinen schlechten Erfahrungen hingibt.


Er schlägt ein.


Ask Skógur: „Ich danke dir, Mann. Echt cool zu hören. Vor allem von jemanden wie dir.“


Dass Ask großen Respekt vor legitimen Größen der GFCW-Geschichte hat, ist keine neue Erkenntnis und das ist auch bei Jason Crutch nicht anders.


Ask Skógur: „Ist ein bisschen Zeit vergangen, seitdem du mich damals zum Sieger gekürt hast gegen die Fists For Future Foundation, was?“


Ask deutet auf das Jason Crutch Invitational von Brainwashed 2023, da war Jason Crutch der Guest Referee und hat tatsächlich Ask zum Sieger gekürt, nachdem der zuletzt Thomas Camden eliminiert hat.


Und ja – seitdem ist ordentlich Zeit vergangen und Ask wurde nicht nur Intercontinental, sondern nun auch World Champion der GFCW.


Der Oberpollinger wirkt nach wie vor angespannt, lässt keine Emotion erkennen. Er kann nicht aus seiner Haut.


Jason Crutch: „Ja. Tatsächlich ein toller Moment. Für mich nach langer Abstinenz, aber sicherlich auch für dich. Einer der ersten großen Würfe für dich, was? Aber was war nochmal der Grund, für…ich war gerade…auf dem Weg…“


Er wirkt abwesend. Und Ask ist das nicht entgangen.


Ask Skógur: „Naja, also… ich bleib bei meiner Frage. Was treibt dich hier weg?“


Der Begründer der Crutch-o-Mania kratzt sich etwas verlegen am Hinterkopf, dass das Basecap verrutscht; das er aber sofort wieder zurechtrückt.


Jason Crutch: „Es ist…grade alles etwas schwierig. Du weißt, wie Switzenberg mich bei Aurora einmal mehr drangekriegt hat. Das Switziverse ist mir…momentan immer einen Schritt voraus. Und das…das…“


Er ringt selbst mit den Worten, wirkt geistesabwesend. Dann scheint er sich selbst ruckartig aus seinen Gedanken zu reißen.


Jason Crutch: „…nun ja, es ist schwierig, verstehst du? Aber, siehst du…in manchen Momenten zweifelt man dann auch wieder. Ich weiß, ich sollte nicht an mir selbst zweifeln und gerade ich als alter Haudegen…aber ich kann nicht aus meiner Haut. Ich bräuchte einfach…“


Wieder ist er auf der Suche nach Worten. Einfach, weil er sich gerade selbst nicht schlüssig ist, was er braucht. Und wahrscheinlich tut es ihm gerade gut, sich einfach mit irgendjemandem auszutauschen.


Jason Crutch: „…ich bräuchte…den Kick. Sowas wie eine ordentliche Vorbereitung. Verstehst du? Auf das, was so ansteht. Ich…ich weiß auch nicht. Ich hänge da gerade etwas in der Luft. Und…irgendwie weiß ich selbst grad gar nicht, was ich überhaupt brauche…“

Ask Skógur: „Du brauchst eine ordentliche Abreibung, das denke ich.“


Ask sagt das vielmehr scherzhaft, fast schon auf eine kumpelhafte Art und Weise, als ob er und Crutch sich schon viel länger kennen würden, als es hier den Anschein trägt.


Aber all zu verschieden sind sich er und Crutch wohl auch nicht, vor allem nicht, was deren moralischen Standpunkt zum Wrestling angeht. Also wieso nicht auch mal etwas positive Vibes in der sonst so bösen und tristen Wrestling-Welt der GFCW?


Ask Skógur: „Switzenberg… issn dummer Penner. So viel ist klar. Und du… du bist eine Legende. Ich denke nicht, dass du eine Vorbereitung auf irgendwas brauchst, aber falls du ein Match willst, dass dich richtig fordert, ohne Eingriffe oder irgendwas sonst… nein, ein richtiges Match, wie es sich gehört… dann musst du es nur sagen.“


Und damit mein Ask mehr als offensichtlich sich selbst. Der Champion scheint wohl auch seine Vorstellung davon zu haben, wen er herausfordern will und wen nicht – und genau das vertritt er auch. Er will kämpfen und bestenfalls mal ohne unnötigen Stress von außerhalb.


Und Crutch? War das ein Anflug von einem Lächeln? Es ist keines der Lächeln Nr. 01 – 13. Nun ja, höchstens das Lächeln Nr. 08 geht annähernd in die Richtung. Aber welcher Nummer man dieses Crutchsche Lächeln auch zuordnen möchte: ein Mundwinkel scheint nach oben zu zucken. Ist es wirklich DAS, was Jason Crutch gerade braucht? Eine Herausforderung? Ein Match, auf das er sich freuen kann? Ein Match, auf das er sich zu 100% fokussieren kann, einfach, weil er weiß, dass Ask Skogur ein fairer Sportsmann ist. Und er kann für dieses Match sämtliche Rahmenbedingungen (wie ein evtl. Eingreifen des Switziverse) ausblenden und sich nur auf seinen Gegner konzentrieren. Dann nickt er. Und tatsächlich. Das Mundwinkelzucken verwandelt sich in das bereits angesprochene Lächeln Nr. 08! Crutch ist zufrieden!


Jason Crutch: „Ich glaube, das ist es, was ich brauche. Ich glaube, das ist genau diese Motivation, die mir noch gefehlt hat. Ich brauche einfach ein Match, fernab vom Switziverse oder irgendwelchen Stipulation, die mit ihnen zusammenhängen. Und weißt du was? Ich akzeptiere! In zwei Wochen, Ask, treffen wir uns in diesem Ring. Und niemand sonst wird dort sein, außer du, mir und dem Referee und die Frage: wer ist bessere Mann?“


Er will sich schon abwenden. Dann hält er aber doch nochmal inne. Und sein Lächeln Nr. 08 verwandelt sich plötzlich. Es ist dieses fiese Lächeln, das etwas schelmische. Und er wendet sich noch einmal an Ask.


Jason Crutch: „Obwohl ich die Antwort auf diese Frage schon kenne. Denn, vertrau mir: ich BIN besser als du.“


Dieser freundschaftlich gemeinte Seitenhieb in Form seiner jahrealten Catchphrase musste einfach sein.


Ask scheint zufrieden. Keine Ahnung, das wie vielte Lächeln das ist, aber es ist Asks Lächeln, mit dem er auf Crutchs Annahme des Matches reagiert. Ein Lächeln, das man in Fehden gegen Aiden Rotari, Luna Rosario und Aldo Nero schon lange vermisst hat.


Aber wo würde es sich besser anbieten, als wenn sich ein so gewaltiges Match für eine War Evening Ausgabe anbahnt?



Ask Skógur, der aktuelle GFCW-Champion Vs. Jason Crutch, der Rekord-Champion



6 Men-Tag Team-Match:

LPG (Das Sprachrohr & Maximilian 'The Greatest Pigster' Lunenkind & Marc Hill) vs. Förderkader (Bene Zampach & PJ Smidt & Ethan Carlyle)

Referee: Mike Kontrak



Der wabernde Song der Snow Strippers kündigt das Team der Lerbitz Performance Group an – inklusive neuem Mitglied.

Der Greatest Pigster tritt zuerst heraus, in voller Montur, während er begeistert grunzt. Nach seinem Triumph bei Aurora lässt er es sich natürlich nicht nehmen, ein T-Shirt mit dem bei der Pressekonferenz zur Schau gestellten Bild darauf in die Luft zu halten, und etwas von „nur 44.99 € plus Versand!“ in die Menge zu brüllen, während er ohne Erfolg mit den Fingern das GILDAN-Etikett verdecken möchte. Begleitet wird er von Monica Shade, sichtlich entschlossen den Pigster bei seinem Duell am heutigen Tag zu unterstützen, die natürlich das Gehirn hinter der gesamten Operation – Lady Rosi – mit sich trägt.

Darauf folgt der Auftritt des neuen Mitglieds – Marc Hill. Er ist muskulös, er hat ein breites Grinsen im Gesicht, und er ruft „POWER!“, während der Pigster auf das Shirt von Hill deutet und etwas von „genauso günstig wie ein HSV-Trikot!“ brüllt. Mehr kann man nicht wirklich hören, die Musik ist zu laut.

Es folgt zu guter Letzt das Sprachrohr. Das Sprachrohr sieht aus wie immer und guckt wie immer und ist halt das Sprachrohr. Das ist ein FAKT.

Diese seltsame Truppe macht sich nun auf den Weg zum Ring, wo der Förderkader sie mit einer Triade von finsteren Blicken mustert. Das scheint den Jungs von Lorenz aber in diesem Fall egal zu sein, sie scheinen das sogar gut zu finden. Sollten sie hier gewinnen hätten sie auch bei Robert Breads mit Sicherheit ein Stein im Brett. Ein Stein im Breads? Ist das was? Nein? Egal. Also, wäre halt gut, ihr checkt schon.

So oder so, die Partizipierenden stehen entweder auf dem Apron oder – im Falle von Bene Zampach und dem Sprachrohr – im Ring.

Es geht los.

Zampach ist deutlich aggressiver als das Sprachrohr, was vermutlich durch die Ereignisse beim PPV gut erklärbar ist. Dort hat Bene gelernt dass er das Sprachrohr definitiv besiegen kann, aber das Sprachrohr hat eben auch aus dem Duell mit Zampach gelernt. Es ist heute besonders provokant mit seinen athletischen Ausweichmanövern, völlig unnötig und gewollt spektakulär, aber jedes Mal applaudieren der Pigster und Hill auf dem Apron.

Das sorgt nur noch mehr dafür, dass Bene dem Rohr endlich eine reinwürgen will, während er Hill wütende Blicke zuwirft. Das genügt dem Sprachrohr, einen DDT-Konter zu setzen, und dann Marc Hill einzuwechseln, der sich genüsslich seinen alten Partner nimmt und durch die Luft wirbelt, bevor er ihn per Slam zu Boden klatscht.

POWER!“

Der Pigster und das Sprachrohr schreien dieses Wort begeistert, als Hill seinen Move durchbringt. Das Cover funktioniert natürlich noch nicht, aber dass Marc überhaupt glaubt hier schon gewinnen zu können ist irgendwie Provokation an sich.

Bene will sichtlich unbedingt mit Marc kämpfen, aber ist im Hintertreffen, und so muss sich Ethan selbst einwechseln, um das Match für den Förderkader zu retten. Auch Ethan ist wütend, hat er selbst doch gerade den Deal von Hill abgelehnt, aber bei ihm äußert sich das nicht in Punches oder wilden Attacken, sondern in dem Versuch, aggressives Grappling anzubringen, um Hill auf die Matte zu kriegen.

Das Problem dabei ist, dass Ethan als Ringer eine viel bessere Technik als Marc hat – und das auch ausspielt – aber Hill zumindest muskulös und kräftig genug ist um durch manche Aktionen schlicht durchzupowern. Dazu kommt, dass Robert Breads sicherlich den einen oder anderen Tipp an Hill gegeben hat, wie man mit Ethan umzugehen hat, während Carlyle von allen Förderkader-Wrestlern am wenigsten Zeit mit Marc im Training verbracht hat.

Carlyle kann sich langsam, verbissen und wütend, einen Vorteil erarbeiten, und genau an diesem Punkt taggt sich der Pigster ein. Sofort geht er mit dreckigen und miesen Attacken auf Ethan los, wenig spektakuläre Aktionen wie Clotheslines oder Punches, aber immer mit einem Kratzen, Ziehen oder anderem kleinen miesen Trick dabei. Von Seiten von Monica und Lady Rosi gibt das trotzdem (in Teilen stummen) Support.

Man sollte dabei nicht vergessen, dass Lunenkind der einzige Veteran im Ring ist, mehr als zehn Jahre Erfahrung und eine Menge Selbstvertrauen durch den Sieg beim Pay-Per-View. Und immer, wenn Ethan irgendwie die Kontrolle zu erringen scheint, ruft Marc Hill etwas vom Apron, und die Aufmerksamkeit von Carlyle wechselt.

Es ist ziemlich ersichtlich, dass die LPG einen kohärenten Plan hat – die Tatsache ausnutzen, dass jeder im Förderkader in erster Linie Hill in die Finger kriegen will – und als Team arbeitet, um das umzusetzen. Währenddessen ist so etwas beim Förderkader nicht zu erkennen, das sind drei Einzelwrestler mit einem eigenen Plan, aber keiner davon ist im Rahmen eines Six Man Tags zu Ende gedacht.

Mangelndes Coaching für ein paar Rookies, könnte man annehmen. Währenddessen hat die Gegenseite einen Lunenkind im Ring und einen Breads im Hintergrund, dem sicherlich sehr viel daran liegt, wie dieses Match hier ausgeht.

Schließlich gelingt es Ethan, den Pigster mit einem kraftvollen Suplex lange genug von sich zu werfen, um in die eigene Ringecke zu gehen, und PJ Smidt einzuwechseln. Der hat die Augen schon auf Marc Hill fokussiert, der gerade dem Pigster auf den Rücken schlägt. Das wertet Smidt als Wechsel, hat aber nicht gesehen, dass das Sprachrohr sich bereits eingewechselt hat, weshalb die Berührung von Marc nichts bedeutet. Der Fokus auf den Verräter ist zu groß.

Und so stürmt PJ auf Hill zu, der vom Apron herabspringt, um dem brutalen Forearm auszuweichen, und das Sprachrohr rollt PJ Smidt von hinten ein!

Bei 2,9 kommt er nochmal heraus, aber das wirklich knapp, und dass niemand vom Förderkader-Team auf das Sprachrohr geachtet hat, während die LPG ein cleveres kleines Set Piece vorbereitet hat, unterstreicht noch einmal den in diesem Match deutlich werdenden Unterschied.

Man muss PJ allerdings zu Gute halten, dass er sich gegen das Sprachrohr wirklich stark schlägt. Das Sprachrohr ist kein Wrestler mit einer starken Offensive und nicht besonders clever was Strategie angeht, aber es überhaupt erstmal in die Finger zu kriegen ist nicht leicht. PJ stellt ein paar Fallen, stellt sich schwächer als er ist, und das Sprachrohr traut ihm so ein Level an Tricks nicht zu, weshalb er das eine oder andere Mal in die Falle tappt.

Das sehen auch der Pigster und Hill, weshalb sie das eine oder andere Mal versuchen, für Ablenkung zu sorgen, und Smidt ist bislang der Fokussierteste auf das In-Ring-Geschehen, kann sich aber ebenfalls ein paar Side Eyes Richtung Marc Hill nicht verkneifen. Schließlich wechselt er Bene Zampach ein, der bei Aurora bereits beweisen konnte, dass er das Sprachrohr besiegen kann.

Das Problem ist auch hier: Das ist oberflächlich und nicht zu Ende gedacht. Beim PPV hat das Sprachrohr einen La Magistral Cradle probiert, wurde ausgetrickst und überrascht und so konnte Bene gewinnen. Dieses Mal versucht das Sprachrohr diesen Move erst gar nicht, und so ordentlich die Offensive von Zampach auch ist, ihr fehlt die Wucht von Carlyle und Präzision von Smidt.

Letztlich hat das Sprachrohr einen ähnlichen Stil und weiß, wie man aus gewissen Moves heraus kommt. So kontert das Sprachrohr schließlich einen Crossbody mit einem Dropkick – und wechselt Marc Hill ein.

POWER!“

Das jault der Pigster vom Apron, als der Verräter in den Ring steigt. Mit einem Grinsen schnappt sich Hill den angeknockten Zampach, und wie um ein Zeichen zu setzen wirft Marc seinen ehemaligen Partner durch den Ring direkt vor die Füße von Carlyle und Smidt.

POWER!“

Begeistert von dieser Kraftdemonstration kreischen das Sprachrohr und der Pigster wieder vom Apron, und sowohl Ethan als auch PJ strecken die Arme aus, wollen eingetaggt werden und es mit Hill aufnehmen.

Aber Zampach schüttelt den Kopf und meint, das ist seine Sache.

Und stürmt blind auf Hill zu – der ihn direkt mit einem Snap Powerslam abfängt, bei dem er sein ganzes Gewicht auf Bene drückt.

POWER!“

Der begeisterte Schlachtruf erklingt erneut, aber nicht mehr vom Apron. Das Team der LPG hat antizipiert. PJ und Ethan wollen gerade den Ring stürmen, als sie von hinten herunter vom Apron gezogen werden – da sind das Sprachrohr und der Pigster. Sie setzen keine vernichtenden Aktionen, sie verwickeln die Rookies bloß in einen Brawl, um sie abulenken.

Das sollte reichen.

Hill ist nämlich im Ring am Drücker, und zieht Bene am Arm hoch, um ihm den Todesstoß zu versetzen. Doch Bene kennt Marc – und dessen Angewohnheit, zu früh siegessicher zu sein. Und deshalb zieht Zampach ihm die Beine weg, greift mit den Armen zu, und fängt Marc Hill in einem Inside Cradle!

Der geht bis kurz vor drei.

Beide springen auseinander, aber Zampach musste etwas mehr einstecken und ist einen Moment langsamer. Das reicht, damit Hill ihm in den Magen treten kann.

Der Verräter zieht Zampach zu sich heran. Stemmt ihn in die Luft.

POWERBOMB!

Bei Brainwashed war dieser Move noch ein Triumph des Förderkaders. Hill fährt den ersten Sieg ein, gegen die LPG – es fühlt sich an, als wäre das eine Ewigkeit her. Hier ist es nun eine Art trauriger Sargnagel, eine Perversion von etwas das hätte sein sollen, aber nicht ist. Hill pinnt Zampach, während der Pigster und das Sprachrohr Carlyle und Smidt davon abhalten, in den Ring zu klettern. Und dabei schreien beide wie verrückt diese eine Wort.

Eins…

POWER!“

Zwei…

POWER!“

Drei!

Sieger des Matches durch Pinfall: Lerbitz Performance Group (Marc Hill, The Greatest Pigster & Das Sprachrohr)

Referee Mika Kontrak hebt den Arm des grinsenden Marc Hill, ehe dieser blitzartig aus dem Ring rollt. Ethan und PJ sind herein geslidet, um sich Hill zu packen, aber der ist clever (oder feige) genug, um direkt zu fliehen. „Die richtige Entscheidung!“, brüllt Marc, deutet auf sein Team, und das Sprachrohr untermalt das mit einem „FAKT!“. Monica sieht währenddessen nach dem Greatest Pigster, der Lady Rosi ein glückliches „POWER!“ entgegen brüllt. Die seltsame Truppe holt den Sieg, das neueste Mitglied würgt dem Förderkader einen rein – eine gute Woche für die Gruppe, die sich nun verzieht und die Verlierer allein zurücklässt.




Die Kamera schwenkt herum. Während im Hintergrund noch der Triumph der LPG zu sehen ist, der von dem Trio ausgiebig bejubelt und mit POWER-Rufen untermalt wird, tritt der Förderkader in den Vordergrund.


Bene Zampach, PJ Smidt und Ethan Carlyle sitzen auf der Matte, teils mit dem Rücken an die Ringseile gelehnt. Ihre Gesichter sind voller Frustration, die Blicke leer. Zwei Scheißwochen für die Nachwuchstruppe enden mit dem bisherigen Höhepunkt. Im negativen Sinne. Nichts ist geworden aus der Rache an Marc Hill – nein, der Verräter hat sie geschlagen und deutlich gemacht, dass seine Entscheidung pro LPG möglicherweise der richtige Weg ist.


Sven: „Sie wurden von Marc Hills POWER zu Boden gebracht. Pete, das passiert sonst nur, wenn ich im Bett mit deiner Mu…-„

Pete: „Die Frage ist: Welchen Einfluss hatte das Fehlen von Mirkan Uysal? Wir haben es zuvor gehört: Zwei Wochen lang war er nicht aufzufinden. Und auch jetzt ist keine Spur von ihm.“


Eine Frage, die nicht beantwortet werden kann. Die Spekulation bleibt. Denn jetzt ist die Messe gelesen, das Ergebnis offiziell eingetragen. Und es müßig, darüber zu diskutieren, ob es sich anders entwickelt hätte, wenn Mirkan Uysal seine Jungs am Ring unterstützt hätte. Wenn der Trainer seinen Aufgaben nachgekommen wäre.


Langsam erheben sich die Drei vom Förderkader. Zampach und Smidt schauen einander an, unisono zeigen sie ein frustriertes Kopfschütteln. Dann stemmt sich auch Ethan Carlyle hoch. Der Kanadier stemmt die Hände in die Hüften und schaut sich im Hallenrund um. Zwei Wochen nach seinem bisherigen Karrierehöhepunkt, als er vor Tausenden gut gegen Robert Breads mithielt, ist er in seine erste Krise geschlittert. Seine Bilanz lautet: 0-3.


Alles sieht aus, als ob die Show zu Ende geht.

Da erscheint auf der Rampe eine Person.



Sven: „Mirkan Uysal!“


Die Fans bemerken es jetzt auch. Blicke wandern hinüber zur Rampe, je mehr Zuschauer auf das unerwartete Auftauchen aufmerksam werden, umso lauter wird das Gemurmel in den Reihen.


Uysal sieht auf den ersten Blick aus wie immer: Unauffälliges Shirt. Jeanshose. Die Haare mit viel Gel nach hinten gezogen. Doch sobald die Kamera näher kommt, wird deutlich, dass sich etwas verändert hat.

Mirkan Uysal…sieht gebrochen aus.


Mit einem Blick, der ins Nirgendwo geht, der kaum das Trio im Ring erfasst, starrt er vor sich her. Die Schultern sind nur aus Gewohnheit hochgezogen, in der Körpersprache liegt kein gesundes Selbstbewusstsein mehr. Und in seiner Hand wiegt er ein Mikrofon hin und her, so als wäre es schwer und aus Stein.

Mehrmals setzt er an, etwas zu sagen. Mehrmals gibt er auf.



Dann endlich führt er das Mikrofon zum Mund. Er nimmt den Mut zusammen, der ihm geblieben ist. Er wagt einen Blick zu den verbleibenden Drei im Ring.

Und sagt, was er zu sagen hat.


Mirkan Uysal: „Ich habe versagt.“


Unruhe im Publikum. Manche wollen Uysal widersprechen und ihn aufmuntern. Andere nehmen die klare Aussage einfach mit Überraschung hin. Schadenfreude gibt es kaum. Sein Verschwinden heute hat nicht dazu geführt, dass Uysal viele Sympathien verloren hat.


Mirkan Uysal: „Ob bei Rasmus oder bei Marc. Ob im Ring gegen Robert Breads. Und vielleicht auch bei den vorherigen Generationen des Förderkaders. Niemand von meinen damaligen Jungs hat den Sprung an die Spitze geschafft.“


Seine Stimme wird mit jedem Wort fester. Er begann brüchig, nun spult er die Worte ab, die er sich offenkundig länger zurechtgelegt hat.


Mirkan Uysal: „Vielleicht habe ich den Mut verloren. Vielleicht auch mein Gespür.“


Er blickt zu Boden, atmet schwer. Die Schultern heben und senken sich.


Mirkan Uysal: „Nur eine Sache werde ich nie verlieren: Mein Verantwortungsgefühl.“


Dann heben sich seine Augen wieder. Sie suchen erst die Kamera, dann wandert der Blick zurück zum Trio im Ring. Schweigend verfolgen Smidt, Zampach und Carlyle, was ihr Trainer zu sagen hat. Der Coach, der zwei Wochen für sie nicht erreichbar war.


Mirkan Uysal: „Und mein Verantwortungsgefühl sagt, dass es nur eine Konsequenz geben kann.“



Mirkan Uysal: „Ich trete mit sofortiger Wirkung zurück.“


OOOOOH!“


Dumpfer Klang über die Lautsprecher, als das Mikrofon auf die Rampe fällt. Uysal steht einen Augenblick zusammengesunken dar. Dann wendet er sich ab und geht mit hängendem Kopf, ohne einen letzten Blick zurück, durch den Vorhang.


Die Zeit Mirkan Uysals ist vorbei.

Und auch die des Förderkaders?


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Danke an alle Schreiber!!!